Historische Entwicklung TENS-Therapie

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Die TENS-Therapie entwickelte sich aus der allgemeinen Elektrotherapie heraus, als es technisch möglich wurde, einzelne Funktionen aus großen stationären Elektrotherapiegeräten in kleine tragbare Kästchen zu packen und so diese Therapieform einer ganz breiten Patientenschicht für die Heimbehandlung zu erschließen.

Aber wie alles in der Medizin bedarf es nicht nur des Nachweises der Nützlichkeit, sondern auch einer Vermarktungsstrategie und der Hilfe des Zeitgeistes. Viele wirkungsvolle Therapien kamen nicht zur Entfaltung, weil das wirtschaftliche und/oder geistige Umfeld dafür nicht gegeben war.

Der Durchbruch für die TENS-Therapie, die es in bescheidener Form auch schon in den siebziger Jahren gab, ist eigentlich auf drei Männer zurückzuführen, die aus unterschiedlicher Interessenlage gemeinsam handelten.

Die Schmerztherapie war gerade im Begriff, erste, auf diesem Feld spezialisierte Praxen hervorzubringen, gegründet meist von Anästhesisten. Einer dieser Pioniere, Dr. med. Thomas Flöter, verlegte seine Aktivitäten von Erlenbach am Main nach Frankfurt, wo er mit seiner Ehefrau Leena voller Elan begann, Schmerzpatienten gezielt zu behandeln. In seinem umfangreichen Therapiespektrum spielte auch die Transkutane Nervenstimulation eine wichtige Rolle und so kam es, dass die Frankfurter Krankenkassen sich auf einmal mit einer für damalige Zeit ungewöhnlich hohen Zahl von Verordnungen dieser Geräte gegenüber sah.

Vornehmlich natürlich die örtliche AOK, wo Herr Och, der damalige Leiter der verantwortlichen Abteilung, eine Konferenz einberief, an der alle übrigen in Frankfurt tätigen Krankenkassen teilnahmen, mit dem Ziel, die Kosten für die Verschreibungen dieser Geräte in den Griff zu bekommen. Die Hersteller der Geräte wurden einbestellt, um vor der gesamten Vertreterschaft der Krankenkassen konstruktive Vorschläge zu diesem Thema zu unterbreiten.

Und hier muss der damalige Geschäftsführer der Firma schwa-medico GmbH, die damals ihren Geschäftssitz noch in Frankfurt hatte, Herr Bernd Kreutner hervorgehoben werden, der den Vorschlag eines Vermietungssystems unterbreitete. Dieses System gestattete die Wiederverwendung der gemieteten Geräte, war somit wesentlich preisgünstiger für die Krankenkassen und berücksichtigte somit deren Vorstellung von Kosten/Nutzen, da eine Austestung vor der Verschreibung vorgeschrieben war. Es war sicherlich das intelligenteste Modell und das fairste bis zum heutigen Tage.

Es wurde schnell unter dem Namen „Frankfurter Mietmodell“ bekannt und, obwohl es nur ein Vertrag war zwischen der Firma schwa-medico und dem Frankfurter Kassenverbund, wurde es von allen Krankenkassen des Bundesgebietes als Agreement akzeptiert und alle anderen Vertreiber dieser Geräte mussten sich diesen Konditionen anpassen. Das sorgte für eine einfache Verordnungspraxis, einfache und transparente Abrechnung und effiziente Patientenversorgung. Seine Bedingungen waren einfach:

  • Austestung in der Praxis, dabei gleichzeitige Einweisung des Patienten in den Gebrauch
  • Nach positiver Austestung Verordnung über einen Monat.
  • Nach positiver Beurteilung des ersten Monats Verordnung für 3 Monate.
  • Bei positiver Beurteilung Verordnung für weitere drei Monate.
  • und so weiter oder Ende der TENS Therapie mit Rückgabe des Gerätes

Was machte die Intelligenz dieses Mietmodells aus?

  • Für die Krankenkassen

    Sie bezahlten nur bei nachgewiesener Verwendung. Verordnung von TENS und Medikamenten von einem Therapeuten – damit nachvollziehbare Kosteneinsparung bei Medikamenten, physikalischer Therapie, Krankengeld und Heilmitteln. Durch geregelten Wiedereinsatz blieben die Kosten niedrig.

  • Für den Arzt

    Die Verordnung war übersichtlich geregelt, der bürokratische Aufwand war gleich null.

    Der Aufwand der Austestung und Einweisung war ausreichend vergütet. Die Patientenführung durch die Verlängerung nach drei Monaten war gegeben. Die TENS-Therapie war wenig belastend für den Patienten und ohne Nebenwirkung.

  • Für den Lieferanten

    Die Abrechnung der Rezepte war einfach, alle Krankenkassen bezahlten denselben Betrag und hatten dasselbe Vermietungsmodell. Die Entwicklung hocheffizienter Geräte lohnte sich und die Vergütung ließ einen Spielraum für klinische Studien zur Ausweitung der Indikationen. Die Methode verbreitete sich.


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In dieser Zeit wurde auch eine in Deutschland einmalige Organisation gegründet, die sich den Belangen der chronisch schmerzgeplagten Menschen annahm, das Schmerztherapeutische Kolloquium, erster Präsident Dr. med. Thomas Flöter. Ausgehend von den Keimzellen in Frankfurt um Dr. med. Thomas Flöter und Hamburg um Dr.med. Dietrich Jungck entwickelten sich in nahezu allen deutschen Städte solche lokalen Schmerztherapeutischen Kolloquien und Schmerzpraxen, in denen die TENS-Therapie eine wichtige Therapieform darstellte. Die Firma schwa-medico organisierte Fachfortbildungen für Ärzte und Pflegepersonal und entwickelte ein TENS-Gerät mit überragenden Eigenschaften, das sich individuell für den Patienten und seinen Schmerzzustand programmieren ließ.

Andere Anbieter kamen am Markt dazu und die TENS-Therapie verbreitete sich zahlenmäßig stark, leider nicht immer sachgemäß und bei der Ausweitung der Verordnungszahlen spielte der Kommerz eine immer wichtigere Rolle. Das führte zum Nachdenken bei den Krankenkassen, die bis dahin die Geräte ohne bürokratischen Aufwand bezahlt hatten und sie handelten mit den verschiedenen Lieferanten der Geräte individuelle Verträge aus. Diese waren geprägt vom Gedanken der Kosteneinsparung und nicht mehr vom Gedanken der Effizienz der TENS-Therapie. Bürokratische Hemmnisse wurden ersonnen, um die Verordnung eines TENS-Gerätes zu erschweren und die Vergütung, die ein Arzt als Gegenleistung für Austestung und Einweisung erhält, so gekürzt, dass es für ihn ein Verlustgeschäft ist, wenn er eine gründliche Einweisung und Austestung durchführen will. (Die Vergütung für den Arzt legt die kassenärztliche Vereinigung fest – aber natürlich unter dem Einfluss der Krankenkassenverbände)

Dieses Missverhältnis zwischen Aufwand und Vergütung ist sicherlich für die Qualität der Durchführung der TENS-Therapie nicht hilfreich und auch nicht Schreiben der Krankenkassen an den Verordner, in denen dieser aufgefordert wird, die Verordnung des TENS-Gerätes für Patient X ausführlich zu begründen. Abgesehen von der Erledigung ungeliebten Verwaltungsaufwands, der den Arzt von seiner eigentlichen Tätigkeit abhält, wird ihm auch dieser Aufwand nicht oder schlecht vergütet. Die TENS-Therapie gerät, obwohl sie das einzige Korrektiv zur Verordnung von Schmerzmedikamenten darstellt, weiter ins Hintertreffen.

Etwa ab dem Jahr 2000 ersannen die Krankenkassen – Vorreiter war die Barmer Ersatzkasse - neue Vertragsformen – sogenannte Pauschalvergütungen. Das Ziel: Kosteneinsparungen und übersichtliche Kalkulationen. Der Lieferant wurde nicht mehr nach seinem Aufwand bezahlt, sondern er erhielt einen Festbetrag für seine Dienstleistung. Diese Form von Pauschalvergütungen haben nahezu alle Krankenkassen des Bundesgebietes übernommen und nach echt deutscher Gründlichkeit individuell verfeinert. Es existieren so viele Vertragsmodelle wie es Krankenkassen gibt – die Abrechnung der TENS-Geräte ist für die Lieferanten mit einem enormen bürokratischen Aufwand verbunden. Die Wirksamkeit der TENS-Geräte ist nicht mehr gefordert und wird nicht mehr belohnt. Im Gegenteil, nur mäßig wirksame Geräte oder schlechter Service bringen den Anwender dazu, das Gerät nach kurzer Zeit dem Lieferanten zurückzugeben. Da dieser einen Pauschalbetrag erhält, profitiert er dadurch; der Lieferant von hochwirksamen Geräten, die lange helfen, gerät wirtschaftlich ins Hintertreffen.

Die Vergütungen, die die Krankenkassen den Lieferanten noch gewähren, sind so niedrig, dass medizinische Studien nicht mehr finanzierbar sind. Auf internationalen Symposien findet man heute keine wissenschaftlichen Arbeiten zur TENS-Therapie aus Deutschland, dafür auf dem Markt massenhaft Geräte aus Asien, deren Wirksamkeit in klinischen Studien meist nicht nachgewiesen wurde.